Neues Influencer-Gesetz: Der schwierige Begriff der „Gegenleistung“

Die Bundesregierung will ein „Influencer-Gesetz“ auf den Weg bringen. Ziel: irreführende Abmahnungen eindämmen und für mehr Rechtssicherheit zu sorgen, nachdem Gerichte die Werbekennzeichnung von Social-Media-Postings jüngst teils widersprüchlich bewertet haben.

Sehr kritisch zu sehen ist der Begriff der „Gegenleistung“. Dieser wird im Zusammenhang mit dem Gesetzesvorhaben als zentraler Punkt genannt, wenn es um die Differenzierung geht, ob ein Posting als Werbung gekennzeichnet sein muss oder nicht.

Der Bloggerclub e.V. plädiert für eine klare Definition des Begriffs „Gegenleistung“ beziehungsweise eine präzisierende Ergänzung. Diese muss klar machen, was als Gegenleistung im Sinne von materiellem Wert zu betrachten ist und was lediglich die Arbeit eines Online-Publizisten überhaupt erst möglich macht.

Publikationen ohne vereinbarte Gegenleistung sind keine Werbung

Eindeutig ist die Situation immer dann, wenn Geld bezahlt wird und/oder es eine Vereinbarung zwischen Influencer/Blogger und einem Dritten gibt, in der beide Seiten eine bestimmte Leistung vereinbaren. Beispiele: Blogger bekommt ein Produkt und sagt dafür ausdrücklich eine bestimmte Veröffentlichung zu. Influencer bekommt Geld für die Veröffentlichung eines vereinbarten Fotos.

Deutlich schwieriger zu beantworten ist die Frage der Gegenleistung dann, wenn keine explizite Vereinbarung vorliegt. Hier ist es dringend notwendig, Klarheit und Rechtssicherheit zu schaffen. Sind Leistungen nicht konkret vereinbart, muss ohne Beweis des Gegenteils zunächst angenommen werden, dass keine Gegenleistung im Sinne des Gesetzes vorliegt und somit auch keine Werbekennzeichnung erfolgen muss. Keinesfalls darf – wie von Verbänden und teils von Gerichten argumentiert – die pure Hoffnung auf zukünftige Werbeaufträge dazu führen, dass Publikationen ohne konkret vereinbarte Gegenleistung dennoch als Werbung angenommen werden.

Bei TV Bayern Live hat Stephan Goldmann, Vorsitzender des Bloggerclub e.V., Stellung zum geplanten Influencergesetz gezogen. Das Statement seht ihr ab Minute 25:25

Beispiel: Reisen ist für einen professionellen Reiseblogger keine Gegenleistung

Für einen Gelegenheitsblogger mag es unter Umständen einen materiellen Wert und damit eine „Gegenleistung“ darstellen, wenn er einmal im Jahr auf eine Reise eingeladen wird und darüber bloggt; oder, wenn einige Male pro Jahr eine Bratpfanne oder ein Küchenmesser vom Hersteller zum Testen bereitgestellt wird. Ob dies tatsächlich einen materiellen Wert für den Blogger darstellt, ist aber nicht objektiv beurteilbar.

Für semi-professionelle oder hauptberufliche Reiseblogger sind Einladungen zu Reisen eine notwendige Voraussetzung für die Ausübung ihrer Tätigkeit und stellen keinen Wert für sich dar. Ohne diese Reiseeinladungen wäre die Arbeit nicht möglich. Diese Reisen stellen eben auch keinen Ersatz für einen Privaturlaub dar, sondern sind typischerweise eher anstrengende Arbeitsreisen.

Gleiches gilt beispielsweise für eine Kosmetik-Bloggerin, die jeden Monat 20, 30 Produkte testet; für einen Food-Blogger, der in größerem Umfang Produktproben erhält oder in Restaurants eingeladen wird. In jedem Themenbereich sind solche Situationen realistisch.

Äquivalent ist dies im Bereich der klassischen Medien, Zeitung, Zeitschrift, Hörfunk und Fernsehen seit jeher akzeptiert und wird nicht infrage gestellt.

Irreführende Kennzeichnung und Einschränkung der Meinungsfreiheit

Müssten alle Publikationen in diesen beispielhaft aufgeführten Situationen als Werbung gekennzeichnet werden, weil das Gesetz hier nicht präzise formuliert ist, entstünde die gleiche Rechtsunsicherheit von neuem, die das Gesetz eigentlich beseitigen will. Und die Rechtsprechung würde womöglich jedes ernsthafte Bloggen – ob als Hobby, semi-professionell oder hauptberuflich, de facto unmöglich machen. Eine Werbekennzeichnung würde den Leser/User verwirren und in die Irre führen, weil faktisch keine Werbung vorliegt. Und nicht zuletzt würde auch die Meinungsfreiheit signifikant eingeschränkt.

Ebenfalls wichtig: Das Gesetz darf keinen Unterschied manifestieren zwischen Journalisten und Nicht-Journalisten, zwischen Medien-Unternehmen und Einzelpersonen. Angesichts des enormen Beitrags von Blogs und Social-Media-Publizisten zur gesellschaftlichen und politischen Meinungsbildung und im Interesse der Medien- und Meinungsvielfalt in der Demokratie muss sichergestellt sein, dass Meinungsfreiheit für alle gleichermaßen gilt.

Kein Deal – keine Gegenleistung

Das bedeutet auf ein konkretes Beispiel bezogen: Würde die Reise-Einladung für einen Blogger als „Gegenleistung“ im Sinne des Gesetzes ausgelegt, müsste in gleichem Maße auch eine Werbekennzeichnung von Reisereportagen in Zeitschriften, Zeitungen, im Hörfunkfunk und Fernsehen verlangt werden, wenn diese auf einer Reiseeinladung des Veranstalters basiert. Äquivalent gilt das gleiche für andere Themenbereiche wie Mode, Auto, Beauty etc.

Noch einmal betont: Der Bloggerclub plädiert dafür, solche Situationen immer dann nicht als „Gegenleistung“ im Sinne der Werbekennzeichnung zu betrachten, wenn es keine konkreten Vereinbarungen über Veröffentlichungen gibt. Auch wenn selbige vom Veranstalter/Hersteller unausgesprochen erwartet und auch vom Influencer/Blogger erbracht werden, weil das schließlich der Grund ist, warum er oder sie eine Reise antritt oder ein Produkt testet – es ist schlicht seine oder ihre Arbeit.

Freiwillige Transparenz-Informationen, wie sie beispielsweise der Bloggerkodex des Bloggerclub e.V. vorsieht, bleiben davon unberührt und sind im Sinne der Transparenz dem Leser/User gegenüber wünschenswert und für Mitglieder des Bloggerclub e.V. auf Basis einer freiwilligen Selbstverpflichtung sogar ausdrücklich vorgesehen. Dieser Transparenz-Gedanke sieht vor, den Leser/User darüber zu informieren, wenn beispielsweise Produkte zum Testen kostenlos bereitgestellt wurden, der Blogger auf eine Recherche-Reise oder auch nur zu einem Event für eine Produktpräsentation oder zu einem Messe-Besuch eingeladen wurde.

Durchsetzung des Rechts: Wir brauchen gleiche Bedingungen für alle!

Wie auch immer eine neue, gesetzliche Regelung für diesen Bereich aussieht: Das Gesetz muss sicherstellen, dass jeder eine sinnvolle Möglichkeit bekommt, das geltende Recht auch durchzusetzen. Das aktuelle Wettbewerbsrecht ist in dieser Hinsicht nur sehr begrenzt tauglich, weil es die veränderte Medienlandschaft nicht hinreichend berücksichtigt. Größere Unternehmen sowie Verbände können mit ihrer Rechtsabteilung und ausreichend finanziellen Mitteln Rechtsverstöße durchsetzen. Die meisten Blogger hingegen haben schon aus finanziellen Gründen beziehungsweise aufgrund des hohen, finanziellen Risikos faktisch keine Möglichkeit, beispielsweise gegen einen Rechtsverstoß eines TV-Senders, einer großen Zeitschrift oder einer Tageszeitung vorzugehen – oder umgekehrt Abmahnungen von dieser Seite sinnvoll abzuwehren.

Hier ist der Gesetzgeber gefragt,  gleiche Chancen zur Durchsetzung des Rechts für alle Marktbeteiligten herzustellen und die derzeit klare, faktische Bevorzugung von Medien-Unternehmen und Verbänden zu beenden.

Franz Neumeier

Franz Neumeier

Franz Neumeier (Jahrgang 1968) ist Vorstandssmitglied des Bloggerclub e.V. Er versteht sich als bloggender Journalist und bloggt bereits seit über 15 Jahren. 2009 hat er sich selbständig gemacht, auf Kreuzfahrt-Themen spezialisiert und bloggt darüber auf Cruisetricks.de hauptberuflich. Er schreibt außerdem für Print- und Online-Medien. Zuvor war Franz Neumeier bei IT- und Internet-Fachzeitschriften tätig, darunter zehn Jahre als Chefredakteur mehrerer Computerzeitschriften.

2017 ist mit "Cook & Taste" ein Food-Blog hinzugekommen, das er zusammen mit seiner Frau Carmen Winkler schreibt.

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